Faszinierende Brände von Wildfrüchten

Raphael Briner

28.04.2019

Brände aus Wildfrüchten bedeuten für den Produzenten einen grossen Aufwand bei kleiner Ausbeute. Dass sich die Mühen der Brenner für den Liebhaber lohnen, hat ein Anlass des Schweizer Schnaps Forum auf dem Haldihof in Weggis gezeigt.

Ein ganz besonderer Fleck der Innerschweiz war das Cachet für die Verkostung «Wildfrüchte Schweiz» des Schweizer Schnaps Forum. Der radikal biologisch bewirtschaftete Haldihof von Bruno und Rebecca Muff liegt ausserhalb von Meggen im (zurzeit saftigen) Grünen. Im Rücken befindet sich die Rigi, der Blick geht weit über den Küssnachtersee Richtung Nussbaumen-Luzern und den Bürgenstock mit seinen frisch renovierten und gebauten Luxushotels.

Bruno Muff erklärt seine landwirtschaftliche Philosophie. Im Hintergrund Mispelbäume.

Zur kommentierten gemeinsamen Verkostung von 22 Bränden von zehn Brennern hatten Bernadette und André Richiger eingeladen. Nach dem «offiziellen» Teil konnten weitere Schnäpse degustiert werden, welche die Organisatoren mitgebracht hatten oder die im Hofladen geöffnet bereitstanden. Bruno Muff brennt zahlreiche Schnäpse aus den Früchten seines Betriebs und stellt auch Kräuterliköre mit so schönen Namen wie Eau du paradis oder Parfait amour her.

Einer der Kräuterliköre, die Bruno Muff nach einem Rezept aus dem 16. Jahrhundert hergestellt hat.

Die folgenden Verkostungsnotizen sind keine von Juroren im Konsens und mit IT-Unterstützung ermittelten Bewertungen, wie sie zum Beispiel an der DistiSuisse-Prämierung erstellt werden. Sie beruhen auf den Eindrücken des Schreibenden, der ab und zu auch Inputs aus der Diskussion mit den anderen Teilnehmern einfliessen lassen hat. Es sind Momentaufnahmen, von hedonistischen, persönlichen Vorlieben nicht ganz unbeeinflusst und erheben daher keinen Anspruch auf absolute Wahrheit. Los geht's!

Flight 1, Kernobstgewächse: Scheinquitte/Wildbirne/Wildapfel

Es galt, Apfel, Scheinquitte und Birne blind zu erkennen. Das gelang den meisten, obwohl Apfel- und Birnebrände sensorisch allgemein schwierig auseinanderzuhalten sind. Die Faustregel des Schreibenden: Apfel ist in Geruch und Geschmack meistens weniger intensiv als Birne. Bruno Muffs Faustregel: Birne vermittelt einen «wärmenden» Eindruck, Apfel einen «kühlenden».

Wildapfel John Downie 2016, Humbel Stetten, 43%. Nase: Verhalten, frisch, kernobsttypisch. Gaumen: Der nasale Eindruck bestätigt sich, leicht ölig, Schärfe im Abgang. Brenner Beat Humbel merkt an, es lohne sich nicht, den Zierapfel John Downie separat zu brennen, weil er kein spezifisches Aroma aufweise.
Scheinquitten (japanische Zierquitte), Haueter Niederrohrdorf, 42%. N: Komplex, reife Frucht, Würze, Röst- (Schokolade) und Blütenaromen, starke Marzipannote. G: Seifig, scharf, adstringierend.
Wildbirne 2011, Heiner Zug, 42%. N: Sortentypische Frucht, wenig Komplexität. G: Wie Nase.

Flight 2, Kernobstgewächse: Mispeln

Fast alle begaben sich hier auf ungewohntes Terrain, denn Mispeln sind, ob in flüssiger Form oder als Frischobst, auf der Alpennordseite ungewohnt. In diesem Flight wurde in einer Abstimmung ermittelt, welcher der Brände den Teilnehmenden an besten schmeckt. Dabei setzte sich Mellioret knapp vor Spichtig durch. Weiter zurück lag der Haldihof.

Nèfle sauvage, Mellioret Chardonne, 43%. N: Komplex mit Würze (Pfeffer), Frucht und röstigen Noten (Malz, Bier). G: Ölig, süsslich, zurückhaltend-elegant, wenig Frucht.
Mispel 2016, Andi Spichtig, Wald ZH, 42%. N: Verhalten, frisch, exotische, reife Frucht (Banane). G: Ölig mit Süsse, weich.
Mispel, Haldihof Weggis, 40%. N: Frisch, leichter Vorlauf (es gab dazu auch andere Meinungen). Gaumen: Scharf, kernige Noten.

Flight 3, Steinobstgewächse: Prunus

Die Prunus-Sorten weisen typische Stein-/Marzipannoten auf.

Bei den heimischen Prunus-Sorten war die typische Steinnote (Marzipan) sofort zu erkennen. Bruno Muff sagte, dass eine zu dominante Steinnote vermeiden werden kann, wenn man in die abklingende Gärung hinein brennt.

Prune myrobolante (Kirschpflaume), Mellioret, 43%. N: Dumpf, oxydiert, metallisch, Nachlauf. G: Überreif, ranzige Butternote.
Kirschlorbeer 2018 (Lorbeerkirsche), Haueter, 42%. N: Deutliche Steinnote, pflanzliche Aromen (Minze, Eukalyptus), medizinal. G: Menthol, bitter, Schärfe.
Traubenkirsche, Haldihof, 40%. N: Blumig mit leichter Steinnote. G: Fruchtig, süsslich, ölig, dicht.
Schwarzdorn (Schlehdorn), Haldihof, 40%. N: Röst- (Nuss) und Steinnoten. G: Bestätigt die Nase, elegant, ölig, komplex.

Flight 4, Holunder

Es gibt roten und schwarzen Holunder. Die Aufgabe der Degustierenden war, blind zu erkennen, welcher Brand aus welcher Sorte ist. Dabei reussierten fast alle..

Sureau rouge (Roter oder Traubenholunder), Mellioret, 43%. N: Intensiv, dominierende Zitrusfrucht, leichter Essigstich. G: Herbal, süss-sauer, scharf.
Schwarzer Holunder (12 Jahre alt), Haldihof, 40%. N: Sortentypische Frucht, leicht blumig, frisch. G: Weich, würzig (Pfeffer).

Flight 5, Rosen/Sanddorne/Schneeball

Auch hier tippte die Mehrheit blind die Sorten richtig, obwohl solche Brände selten zu verkosten sind. In diesem Flight befand sich der einzige Geist dieser Verkostung.

Sanddorngeist, Haldihof, 40%. N: Verhalten, frisch, Zitrus (Orange, Mandarine). G: Wie Nase, süsslich, ölig.
Gemeiner Schneeball, Haueter, 42%. N: Verhalten, blumig, unreif pflanzlich (grüne Banane), muffig (Nachlauf?). G: Wie Nase, nussig, holzig, Schärfe.
Cynorhodon (Hagebutte/Hundsrose) 2016, Schneider Cornol, 43%. N: Intensiv, fruchtig, blumig, leicht alkoholisch. G: Sortentypische Frucht, pflanzlich (Tomate), ölig, süsslich.

Flight 6, Hartriegel: Kornelkirsche

Die Kornelkirsche ist auf dem Haldihof weit verbreitet. Die Muffs legen sie unter anderem in Salzlake ein und produzieren so «deutsche Oliven» nach einem Rezept der Hildegard von Bingen aus dem 12. Jahrhundert. In diesem Flight wurde wieder nach persönlichen Präferenzen abgestimmt. Haldihof und Bannwart waren gleichauf, Humbel hatte knapp die Nase vorn.

Kornelkirschen 2013, Humbel, 43%. N: Fruchtig und röstig. G: Eher verhaltene Frucht, süsslich, Schärfe im Abgang.
Kornelkirsche 2014, Haldihof, 40%. N: Pflanzliche Noten (Erbse, Stiele, erdig), die mit Luft zugunsten der Frucht in den Hintergrund treten. G: Wie Nase, weich, leicht bitter und scharf.
Kornelkirsche, Bannwart Berg SG, 40%. N: Fruchtbonbon, blumig (Rose), frisch. G: Blumig, fruchtig, weich-seifig.

Flight 7, Kernobstgewächse: Mehlbeeren/Sorbus

Die letzte Serie mit dem Favoriten des Schreibenden.

Elsbeere und Speierling sind zwei Sorten, die in der Schweiz als Schnaps fast nicht zu finden sind. Etwas häufiger gebrannt wird die Vogelbeere, die einen würdigen Abschluss dieser Verkostung bildete.

Amélanchier (Elsbeere) 2013, Domaine d'Aucrêt Cully, 41%. Nase: Rote Frucht (Pflaume), gut eingebundene Steinnote. Gaumen: Harmonisch, süsslich mit dezenter Schärfe.
Speierling, Haldihof, 40%. N: Intensiv, frisch, pflanzlich (Minze), würzig (Pfeffer). G: Aromen wie Nase, weich, leichte Schärfe und Bitterkeit.
Vinars da pauma caura (Vogelbeere), Daguot Illanz/Glion, 40%. N: Steinnote, pflanzlich (Minze), eher eindimensional. G: Elegant, weich, ölig, süsslich.
Vogelbeere 2013 (Eberesche), Heiner, 42%. N: Intensiv, komplex, deutliche Steinnote (typisch für Heiner), fruchtig, röstig (Schokolade, Nüsse), rauchig. G: Weich, leicht ölig, süsslich, erdig, im Abgang eine leichte Bitterkeit.

Wildfruchtbrände müssen reifen

Bruno Muff meinte, dieser letzte Flight sei aufgrund der sehr speziellen Brände vor allem etwas für Sensoriker und Liebhaber, die möglichst viele Aromen kennenlernen möchten, und weniger für Durchschnittskonsumenten. Diese Feststellung gilt grundsätzlich für die ganze Verkostung. Auch für die Produzenten sind Wildfrüchte ein «Hobby», wie die anwesenden Brenner mehrmals sagten. Ein Geschäft sind diese Brände nicht, denn der Aufwand für die Ernte ist gross und die Ausbeute fällt sehr gering aus. Von Beat Humbel kam der wichtige Hinweis, dass Wildfruchtbrände am Anfang keinen grossen Genuss bereiten und daher erst nach zwei, drei Jahren geöffnet werden sollten.

Für den Schreibenden der Höhepunkt (oder einer der Höhepunkte) war die komplexe und sehr typische Vogelbeere von Thomas Heiner, die allerdings den Vorteil hatte, als letzter Brand degustiert zu werden. Vielleicht waren da die Erinnerungen an andere sehr gute Brände bereits wieder verblasst…

Herzlichen Dank

Zum Schluss geht der Dank des Schreibenden auch im Namen der anderen Teilnehmer an Bernadette und André Richiger, die diesen tollen Anlass mit viel Herzblut und Fachkompetenz organisiert hatten. Zu erwähnen sind zudem Beat Humbel und Andi Spichtig, welche die von ihnen produzierten unter den verkosteten Wässerchen gespendet hatten.

André und Bernadette Richiger begrüssen die Gäste.

Merci vielmal!

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